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Wie berichten wir öffentlich über Frauenschach

Zusammenfassung des gleichnamigen Workshops im Rahmen des internationalen Mädchen- und Frauenschachwochenendes (14.05.2021-16.05.2021).


–English version below–


Während des internationalen Mädchen- und Frauenschachwochenendes fand der Workshop „How to publicly present and report about women's chess“ (Wie berichten wir öffentlich über Frauenschach) statt. Eingeladen waren Alice O’Gorman (Secretary of ECU Women's Commission) und Stefan Löffler (internationaler Meister, Journalist und Editor bei Chesstech-News). 


Gleichberechtigte Berichterstattung

In der offenen Austauschrunde stellte sich schnell heraus, dass die Berichterstattung über Frauen und Mädchen im Schachsport, in Bild und Text, noch noch eine große Entwicklung vor sich hat, hin zu einer fairen und gleichberechtigten Berichterstattung.  

Wenn Frauen auf ihr Frausein reduziert werden, dann werden ihre sportlichen Leistungen in den Hintergrund gestellt. Wenn es heißt „die erste Frau, die...“ oder „das erste Mädchen mit einer Goldmedaille...“ dann steht nicht mehr die sportliche Leistung im Mittelpunkt. 

 Zudem schaffen es Berichte mit weiblichen Hauptdarstellerinnen seltener auf die Titelseiten. Natürlich gibt es den „participation–gap“ doch das Veröffentlichen auf Unterseiten in Bereichen „Frauenschach“ führt zu einer geringeren Sichtbarkeit von Schachspielerinnen gegenüber Schachspielern. In dem Zusammenhang fiel auch auf, dass Mädchen und Frauen viel öfter selbst die Narrative übernehmen müssen, sei es bei Trainingsmaterialien, in Livestreams, Artikeln, Blogbeiträgen etc. Doch die Aufgabe einer gleichberechtigten Berichterstattung ist natürlich eine Aufgabe der gesamten Schachgemeinschaft.

 Ein Teil der Diskussion handelte auch von der Frage, ob geschlechtergetrennte Wettbewerbe eine gleichberechtigte Berichterstattung erschweren. 


 „There is too much focus on women playing women in chess, we need to start focusing on women playing in open tournaments.“ (–Alice O’Gorman–)
[Der Fokus liegt noch zu viel auf Frauen, die gegen Frauen spielen, wir müssen anfangen auch Frauen in offenen Turnieren mehr in den Mittelpunkt zu stellen.]


Die Mehrheit sind immer noch männliche Schachspieler, daher nimmt man dieses Bild in Berichterstattungen gerne noch als „Norm“ und verleiht somit fälschlich den Eindruck, dass Mädchen- oder Frauenschach zweitrangig sei, in Extremfällen sogar minderwertig.


Journalistin und Teilnehmerin Tatiana Flores

Ein Ziel, das wir zum Schluss gemeinsam setzten, um den in dieser Debatte besprochenen Stoff auch an die Öffentlichkeit zu bringen und somit allen zugänglich zu machen, war es „Best Practice Beispiele“ (also Beispiele, wie es sein sollte) zu sammeln und vorzustellen und sogar eine Art Leitfaden zu erstellen, wie richtige Berichterstattung gehen sollte. Kurze Anleitungen und Hinweise für Föderationen, denen sie natürlich auch selbst folge leisten, würden darüber hinaus Außenstehenden helfen und gute Orientierungspunkte bieten.

Wichtig zu erwähnen finde ich auch, dass gut 40 % der Teilnehmer:innen männlich waren: Ein weiterer Beweis dafür, dass eine richtige und respektvolle Berichterstattung bzw. Pressearbeit allen was angeht. Zusätzlich hilft sie auch den immer noch herrschenden Sexismus im Schach, der auch in der Debatte von allen Teilnehmer:innen stark kritisiert wurde, zu bekämpften.


Ergebnisse

Ein erster grober Entwurf eines Leitfadens bzw. einer Check-Liste, was man beachten sollte, wenn man über Mädchen- und Frauenschach öffentlich berichtet, die sich aus den in der Ausstauschrunde erschlossenen Ergebnisse zusammensetzt, könnte so aussehen:

  • In Bildern, Abbildungen, Videos:

    • Transportieren oder stellen sie Klischees, Geschlechterrollen, Sexismus, Stereotypen dar?

    • Ist das Bild frei von Vorurteilen oder bestärkt es sie?

    • Werden Frauen und Männer gleichwertig dargestellt?

    • Wäre es wichtig, Frauen und Männer in gleicher Zahl zu sehen?

    • Wird der Darstellung eine entsprechende gesellschaftliche Vielfalt gezeigt?

    • Werden auch die weiblichen Spielerinnen aktiv am Brett gezeigt? Das heißt, nicht nur im Hintergrund schlendernd, sondern genauso wie die männlichen Spieler, stark am Nachdenken und mit den Figuren in der Hand?

  • Im Text:

    • Wird darauf verzichtet, in den Überschriften und im Text das Aussehen der Spielerinnen zu kommentieren?

    • Steht die sportliche Leitung der Spielerinnen im Vordergrund? 

    • Werden auch ihre Leistungen in der offenen Rangliste (wenn es sie bei dem Turnier etc. gibt) berücksichtig?

  • In Interviews bzw. bei Fragen:

    • Auf die häufig gestellte Frage „warum eine Spielerin sich dazu entschlossen hat, in einem offenen Turnier mitzuspielen, anstatt im Frauenturnier?“ verzichten. Sie ist für Spielerinnen sehr lästig und überflüssig; sie wollen und müssen sich nicht für ihre Entscheidungen ständig rechtfertigen oder erklären müssen.

    • Wenn über Zeitmanagement mit Beruf, Karriere, Erfolg nachfragt wird, bitte sensibel mit der Frage umgehen und darauf verzichten, auf Klischees, Genderrollen usw. reinzufallen.

  •  In Dokumentarfilmen, Berichten, Büchern etc. 

    • Wenn von starken und erfolgreichen Schachspieler:innen berichtet wird, sollten die weiblichen Spielerinnen unter ihnen nicht fehlen. Es gibt genug Beispiele, die zu nennen wären: Vera Menchik, Nona Gaprindaschwili, Nana Alexandria, Maia Tschiburdanidse, Nana Iosseliani, Judith Polgar, Susan Polgar und Sofia Polgar bis hin zu den heutzutage aktiven.

  • In Lehrbüchern und online Lehrplattformen:

    • erscheinen in genügender Anzahl weibliche Spielerinnen in den Zeichnungen und Abbildungen?

    • werden auch Lehrvideos angeboten, wo weibliche Spielerinnen die Lektionen erklären und vorstellen?

    • wird in den Erklärungstexten geschlechtergerechte Sprache verwendet? (die Gegnerinnen, die Spielerinnen, die Schiedsrichterinnen usw. nicht vergessen!)


    Fazit

    Als letztes, sollte es nicht fehlen zu erwähnen, dass es an den Journalist:innen und Redakteur:innen selbst liegt, wie das Frauenschach in ihren Medien und Föderationen dargestellt wird. Es ist sehr wohl möglich, dem Frauenschach eine gerechte und faire Repräsentation zu geben. Es müssen gewiss mehrere Herangehensweisen geändert werden, das aber auch nur um eine Verbesserung der aktuellen Umstände zu erzielen und das sollte schließlich das Ziel jeder seriösen Berichterstattungsarbeit sein. Außerdem kann man nicht 51 % der Weltbevölkerung in den Schachmedien diskriminieren und erwarten, dass Schach weiter aufblüht. Sobald wir es schaffen, dass weibliche Spielerinnen sich genauso wohl und angenommen fühlen wie die männlichen in der Schachwelt, wird das automatisch folgen.


    Tatiana Flores & Lars Drygajlo




    How to publicly present and report about women’s chess

    Summary of the workshop “How to publicly present and report about women’s chess” that took part during the European Girls’ and Women’s Chess Weekend (14.05.2021 – 16.05.2021).

    “How to publicly present and report about women’s chess” was one of the round table debates that were taking place as part of the Europeans Girls’ and Women’s Chess Weekend. With Alice O’Gorman (Secretary of ECU Women’s Commission) and Stefan Loeffler (International Master, journalist and editor of Chesstech-News) the event had two high-class experienced speakers.


    During the open round table debate, it was clear that reporting about women’s chess still has a long way to go to reach fairness and equality among genders – both in written form, as well as in new visual media formats.

    If women are reduced merely to their gender, their successes and achievements are placed into the background. With sentences like “the first women go achieve…” or “the first female finishing in first place and gaining a gold medal” the achievements are put out of focus.

    Additionally, texts focusing around female main characters less often manage to make it to the front pages. It is undeniable that a participation-gap in chess exists. Yet publishing stories about females in chess only in sections reserved for women’s chess leads to reduced visibility of female players in contrast to their male counterparts. In the context of reduced visibility, one solution could be that girls and women take control over the narrative themselves: in the creation of coaching materials, live streams, blog posts or by writing newspaper articles. Yet, fighting for equal representation should be a gender-independent goal of all individuals that are a part of the wider chess society.

    Parts of the discussion about how to report about women’s chess, focused around the question whether gender-separated tournament pose an extra hurdle to equal representation when reporting about women’s chess.


    „There is too much focus on women playing women in chess, we need to start focusing on women playing in open tournaments.“ (–Alice O’Gorman)


    As the predominant gender in chess is males, it often is easy to mistake the image of a male chess player as the norm. This creates a false image that female chess is secondary, or even worse, can be considered inferior.


    Journalist and workshop participant Tatiana Flores:

    One goal that we decided on during the workshop was to summarise the discussion points of the workshop to create “Best Practice” guidelines on how to report about women’s chess. These guidelines could be published by federations to give guidelines to journalists, reporters,…, as well as acting as a good best practice guideline to review on press work.
    One important point I noted during the workshop was that 40% of the workshop participants were male. This is a proof that the topic of how to report about women’s chess is a topic that matters to all people – independent of their gender. Fair reporting of women’s chess is one of the tools to fight sexism in chess – a problem we still face nowadays according to all workshop participants.


    Results

    Summarising the results of the workshop, some draft guidelines were created to give people guidance how to report about women in chess:

    Images & Videos

    • Does the image reinforce existing gender roles, sexism or stereotypes?

    • Is the image free from stereotypes?

    • Are men and women shown as equals?

    • Does the image represent the diversity we have in the chess community

    • Are female players shown actively playing on the board or are they just shown presented as by-standers and admirers in the background, while men are the take the central role in the image?

    Text

    • Does the text comment in any ways on the looks of the female player?

    • Is the text focused on the successes of the female player?

    • If women play in open tournaments, does the text contextualize the performance of the female player in the in the open tournament, rather than just stating that she is the strongest female player?

    Interviews and Questions

    • Don’t constantly ask the question why “a women decided to play in the open section rather than in the women’s tournament”. Repeating this question over and over again is a burden to female players, who shouldn’t constantly have to explain or justify their decision. They can play good chess in either of the two tournaments.

    • When raising questions about time management and how to juggle chess with a profession and/or family, please consider your wording carefully. Abstain from phrasing questions in a way that reinforces stereotypes and traditional gender roles. Ask yourself whether you would ask the same question to a male player.

    Documentaries, reports, books,…

    • When talking about strong chess players, remember to include strong female players. There are enough options to choose from: Vera Menchik, Nona Gaprindaschwili, Nana Alexandria, Maia Tschiburdanidse, Nana Iosseliani, Judith Polgar, Susan Polgar and Sofia Polgar as well as many currently active players.

    Chess teaching material and online platforms

    • In children’s chess books, are there sufficient female players shown in the illustrations and cartoons?

    • Are there chess videos taught by female players?


    Conclusions

     One important point to raise is that it is up to the journalists themselves have to decide how to present women in chess in the media and in within their federations and community – and take an active stance in representing females in chess in a fair an equal manner. This will require a range of adaptations to current practices – some which we discussed in the above text. It is clear, that chess will only acquire more players and flourish further, if it stops ignoring and discriminating against 51% of the world population in the way it reports about females in chess. Making women feel respected and welcome in the chess community the way men feel, will in our opinion automatically lead to more girls and women taking up chess

    Tatiana Flores & Lars Drygajlo, translation by Lilli Hahn

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