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Mehr als 380 Gründe* für eine Reise nach Bengbu

Über die Reise ins chinesische Bengbu vom 03.-14.07.2019 von Philipp Kyas

 

Zugegeben, so ganz spontan fällt es mir schwer, auf eine solch hohe Anzahl an Gründen zu kommen. Viel mehr wollte ich auf die Hin- und Rückflüge im größten Passagierflugzeug der Welt - dem Airbus *A380 - anspielen, die in mir bereits ab Frankfurt das Feuer entfacht haben und die Vorfreude ins unermessliche steigen ließen. „Wie sind die wohl drauf?“, „Ist das Essen mit Stäbchen Pflicht?“ und „was erwartet uns im Schach?“ – Ein kleiner Pool an Fragen, der in den meisten Köpfen unserer übersichtlichen Truppe aus ganz Deutschland herumschwirrte. Die chinesische Kultur war den meisten von uns bis dato ein Fremdwort und so möchte ich euch stellvertretend für meine 8 Mitfahrer/innen und mich mit auf unseren 12- tägigen Trip mitnehmen, von dem wir gewiss noch in vielen Jahren erzählen werden. Ein Wort vorab: Komplett fremd fühlte sich von uns am Ende niemand mehr in diesem schier unendlichen Land mit 1,4 Milliarden Menschen!

Fasten seat belt!

13 Stunden vor Ankunft in Shanghai trafen wir uns vor dem Check-In

Da stehen wir (von links nach rechts: Jana, Hannah, Uli, Ruben, Julian und ich) in Frankfurt. Komplettiert werden wir noch durch Verena, Malte und Birger, die ihr später antreffen werdet. Jeder kannte bereits irgendwen anders aus der Gruppe, sodass es keine großen Berührungsängste und Abtastphasen gab. Hilfreich war hierfür auch das Angebot der DSJ Akademie, wodurch ein Kennenlernen vorab möglich war.

Nach einem gut 10-stündigen Flug, Jetlag im Gepäck und mit einem stark eingeschränkten chinesischen Wortschatz (bestehend aus „hallo“ und nunja… einigen international anerkannten, körpersprachlichen Gestiken) waren wir in Shanghai! Abgeholt wurden wir von drei Chinesen unseres Austausch-Schachclubs aus Bengbu. Mit dem Bus ging es nun zum Hauptbahnhof dieser Metropole, ehe wir mit dem Schnellzug nach Bengbu gefahren sind. Unzählige Impressionen, die in kürzester Zeit auf uns eingeprasselt sind.

Das Programm in Bengbu

Wir haben vorab ein Programm erhalten, das eine Menge versprach: Eine drei- bis vierstellige Anzahl an Kindern, auf die wir aus unterschiedlichen Schulen und Schulformen stoßen werden, um uns in jeglicher Form über unsere Gemeinsamkeit auszutauschen: Das Schachspiel.

Mein persönliches Highlight des Chinaaustauschs waren die Besuche der Kindergärten und Schulen. Die Freude und die Gastfreundschaft der Kinder haben mich wahnsinnig beeindruckt. - Uli

Zudem ein kulinarisches Programm, das uns von ‚richtiger‘ Peking Ente bis [hier bitte Namen für sämtliche Fisch- und Fleisch- (außer Hund!) und Gemüse- und Obst- und … -Sorten einfügen] alles bietet und eine Sightseeingtour nach Chengdu, einem kulturellen Highlight dieses Landes. Bis auf Chengdu wurden das Programm mehr als erfüllt; Diese Stadt, einige hunderte Kilometer westlich von Bengbu musste leider kurzfristig gestrichen werden, da hier ein Erdbeben für zu große Planungsunsicherheiten gesorgt hat. Die Alternative war aber für alle, nunja, zufriedenstellend :).

Shanghai, Bengbu und … Peking! Sightseeing und gelebte Kultur at ist best

Preisfrage: Wie viele Einwohner haben alle drei Städte gemeinsam? Nehmen wir die gut 3,3 Millionen Einwohner Bengbus + Umgebung hinzu, kommen wir auf etwa 50 Millionen Einwohner, also mehr als die Hälfte der Einwohnerzahl Deutschlands.

Von Shanghai blieben uns lediglich die Hin- und Rückfahrt, sodass die Blicke durch das Flugzeug-, Bus-, Zug- und Autofenster genügen mussten. Die Skyline, ein hoher Autoverkehr und der ständige Wechsel zwischen offensichtlichen Luxusgebäuden und – freundlich ausgedrückt - ausbaufähigen Abschnitten prägten das Stadtbild.

Als Alternative zu Chengdu fuhren wir zur Freude unseres Teams in der zweiten Chinawoche für zwei Tage nach Peking. Hierfür organisierten die Chinesen eine Reiseführerin mit Reisebus, wodurch wir die Hauptattraktionen sehen konnten: Den Olympiapark der Spiele von 2008 und der anstehenden Spiele im Jahre 2022, die „verbotene Stadt“, einen der geschichtsträchtigsten Orte Chinas sowie die ‚Hutongs‘ (traditionelle Innenstadt) von Peking. Das Non-plus Ultra für uns alle war aber die chinesische Mauer, die etwa 20.000km lang ist. Unser Standort war leider nicht, wie zuerst durch die Übersetzung unseres englisch-chinesischen Dolmetschers erhofft, der zweithöchste ganz Chinas sondern nur dieser Region, bot aber dennoch die Gelegenheit, Erinnerungen und Fotos für die Ewigkeit zu schaffen!

Das absolute Highlight war für mich die Chinesische Mauer. Schon als kleines Kind habe ich davon gehört und war fasziniert. Ich hätte niemals gedacht, sie tatsächlich mal besichtigen zu können. - Jana

Bengbu

In unserem Domizil angekommen, kam gleich zutage, was ich im Folgendenmit ‚Gastfreundlichkeit‘ beschreiben werde aber einmal detaillierter ausführen muss: Trotz der Verständnisschwierigkeiten, die auch durch unseren Übersetzer nicht immer geklärt werden konnten, merkte man den Chinesen an, ständig um das Gute Wohl ihrer Gäste bemüht zu sein. Jeder Wunsch wurde versucht zu realisieren, ohne diesen zwangsweise ausgesprochen zu haben. Niemand wurde alleine gelassen, alle waren Teil einer Gruppe. Teil einer deutsch-chinesischen Gruppe eben, deren Ziel vor allem der kulturelle Austausch unter Einbezug des Schachsports ist. Geachtet wurde dabei zudem auf die Einbeziehung des deutschen Kulturguts. Auch wenn einige eher geflucht haben, bei 35 Grad im Schatten gegen eine professionelle Fußballmannschaft aus Bengbu antreten zu dürfen, die dann auch schon nach 2 Minuten drei Gänge zurückschaltete.

Die Gastfreundlichkeit brachten uns neben dem Organisatoren Team auch die vielen Kinder entgegen, die wir durch das Programm kennenlernen durften: Einige machten uns Gastgeschenke, malten uns etwas, standen Spalier, tanzten und sangen für uns oder hatten einfach eine riesige Choreografie zur Begrüßung mit einem Mix aus allem eben genannten vorbereitet. Beeindruckend!

Das geilste war erst das Gemeinschaftsgefühl in der Gruppe, welches die kleinen Dinge so besonders gemacht hat. Ob nun das hoffnungslos unterlegene Fußballspiel, die Spieleabende, die etlichen Fahrten durch Bengbu oder die Spitznamensuche für unsere chinesischen Freunde, als Team wurden aus „normalen“ Aktionen echte Highlights! - Birger

64-Felder, schwarz und weiß Quadrat…

… dankt mir später für den Ohrwurm, der auch uns des Öfteren heimgesucht hat! :) Die Chinesen haben sich einiges einfallen lassen, um uns zu erstaunen, wie vielseitig Schach zum Austausch eingesetzt werden kann.

In den ersten Tagen bestritten wir häufiger Spiele gegen verschiedene Jugendauswahlen auf der chinesischen Seite, sodass wir im 8 gegen 8 spielten. Weiterhin gab es Showkämpfe, in denen die Besten der Besten aus Bengbu gegen ausgewählte Spieler auf unserer Seite unter der Beobachtung vieler Zuschauer gespielt haben. Zudem haben wir häufiger Simultan gespielt: Hierbei ist insbesondere der 4. Tag zu nennen, an dem uns über hunderte von Jugendlichen gegenübersaßen und uns zum Spiel gebeten haben.

Ein Panoramabild war nötig, um die vielen SpielerInnen und ZuschauerInnen einzufangen

Zum Schluss gab es zudem ein Turnier, das in einer Einkaufsmall stattgefunden hat. Bronze und Silber gingen an Deutschland, während sich ein chinesisches Talent zwar punktgleich, aber mit der besseren Feinwertung über den Turniersieg freuen durfte. Mein Favorit zum Thema Schach war übrigens das avisierte Simultanspiel von Verena und mir gegen viele Kinder und noch mehr Zuschauer; Es stellte sich heraus, dass der Fokus gar nicht auf dem Spiel sondern vielmehr den Fotos lag, die wir mit den Chinesen machen sollten. Somit war die Partie auch schon nach einem Zug beendet und alle bereiteten sich auf die Fotos vor!

Immerhin hat jeder mal ziehen dürfen, Handshake inklusive :)

Besonders toll fand ich es, mich mit den Chinesen über Kultur und Sprache auszutauschen. Auch wenn wir auf der anderen Seite der Weltkugel wohnen und andere Essgewohnheiten haben, sind wir uns doch nicht so unterschiedlich, wie man denkt. Vor allem das Finden von Gemeinsamkeiten und Unterschieden bildet deshalb mein persönliches Highlight - Verena

Das Essen

Was verbindet Menschen noch mehr miteinander als Schach? Essen! Und zwar jede Menge gemeinsames Essen. Wir haben fast immer in unterschiedlichen Restaurants essen dürfen und dabei vermutlich den Großteil der Speisen kennengelernt, die Chinesen gerne mal essen. Bereits oben habe ich unter „Das Programm in Bengbu“ angedeutet, dass uns besser niemand nach den Namen dessen fragen sollte, was wir gegessen haben. Einiges schmeckte unglaublich, das nächste knorpelig, gefolgt von einer wahrlichen Geschmacksexplosion und einem viel zu scharfen HotPot. Perfekt also, um die chinesische Küche vollends ausprobiert zu haben!

Der Blick fürs Detail

Viele der aufgeführten Beobachtungen und Erfahrungen sind meiner Meinung nach zwar nicht selbstverständlich, dennoch zumindest zu erwarten, wenn man sich vorab ein bisschen über das Land informiert. Im Folgenden sollen daher noch kurz die Eindrücke aufgeführt werden, die wir über die Zeit in China gewinnen konnten.

Einer der prägendsten Momente war die Freude der Chinesen daran, uns zu sehen. Das lag natürlich an unserem Aussehen, das hervorstach. Ich gehe zumindest davon aus, dass uns niemand wegen einer gewonnenen Landesmeisterschaft wieder erkannte :). Die Ausreisemöglichkeiten sind in China viel eingeschränkter als in Deutschland. Somit sind kulturelle Austäusche insbesondere für eine vergleichsweise kleine Provinz wie Bengbu natürlich rar. Wir durften für viele Fotos herhalten, oftmals aber auch ungefragt. Das war für viele von uns zwar ungewohnt, jedoch auch eine sehr spannende Erfahrung.

Ebenso überraschend war für uns das ausbaufähige Englischniveau der Chinesen. Ohne unseren Dolmetscher wären wir quasi vollends verloren gewesen. Viele T-Shirts und auch riesige Plakate hatten Rechtschreib- und auch starke Übersetzungsfehler, die ihres gleichen suchten.

Wer kennt sie nicht, Grandma’s body soup

Zu guter Letzt ist die Perfektion der Chinesen bereits im jungen Alter sehr interessant zu beobachten. Dass uns die zum Teil erst fünf- bis sechsjährigen Kinder beim Tischtennis einen Ball nach dem anderen um die Ohren gehauen haben ist sicherlich nicht erstaunlich. In einer anderen Schule haben gleichaltrige Mädchen aber auch eine Choreographie vorgespielt, die in dieser Präzision wohl nicht mal die Ältesten an unseren Schulen geschafft hätten.

Besonders überwältigend  waren die feierlichen Empfänge die uns die Gastgeber bei den verschiedenen Events bereiteten. Kulturelle Tänze, Gesänge und Musikeinlagen von Erwachsenen und Kindern wurden extra für uns aufgeführt. Ich bin immer wieder gerührt, wenn ich an die schönen und aufwendigen Auftritte zurückdenke. - Julian

In vielen Hinsichten ist die Mentalität in China einfach eine andere als bei uns, doch niemand kann sagen, welche die bessere oder richtige ist. Chinesen essen mit Stäbchen, wir eben mit Besteck. Wir spielen Fußball, sie eben Tischtennis. Es ist toll, dass ein Spiel wie Schach dafür sorgt, dass zwei unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen können, um voneinander zu lernen, zu geben und zu nehmen.

Mein persönliches Highlight war der nächtliche Spaziergang durch den Park in Bengbu. All die Leute, die dort standen und gesungen haben, dazu die Beleuchtung der Gebäude - einfach überwältigend! - Hannah

Wir sind dankbar dafür, dass wir das Angebot der Deutschen Schachjugend wahrnehmen konnten und dass die Hauptorganisatoren um Malte Ibs und Mr. Yu alles dafür getan haben, diese Fahrt zu einem einmaligen Erlebnis zu machen! Wer in den nächsten Jahren die Gelegenheit dazu haben sollte an diesem Programm teilzunehmen, sollte sie unbedingt wahrnehmen.

Und Klick!

Wären Gigabytes gleich Kilogramm, wir wären mit dem Gewicht zweier Autos an Film- und Fotomaterial wiedergekommen. Für weitere Impressionen möchte ich euch gerne folgende Seiten ans Herz legen:

Ausschnitt aus der Nachrichtensendung von Bengbu TV vom 08.07.2018

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