Die knapp 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am 8. Mädchen- und Frauenschachkongress wurden mit zwei Überraschungen begrüßt. Zum einen war erstmals der zuständige, die zuständige Vizepräsidentin Sport des DSB, in dessen Zuständigkeitsbereich das Frauenschachreferat fällt, anwesend und begrüßte die Anwesenden. Olga Birkholz brachte sich zudem als Referentin in zwei Workshops unmittelbar in den Kongress ein. Zudem verlas Olga Birkholz eine Grußbotschaft der deutschen Nr. 1 Elisabeth Pähtz:
„Liebe Teilnehmerinnen des Mädchen- und Frauenkongresses!
Es freut mich ganz besonders, dass der Mädchen- und Frauenschachkongress in diesem Jahr in meiner Heimat, in Thüringen, ausgetragen wird. Einen besseren Ort, um unsere geliebte Schachkultur mit neuen Ideen und Konzepten zu bereichern, als die ehemalige Kulturhauptstadt Deutschlands, kann ich mir kaum vorstellen.
Ich wünsche allen Teilnehmerinnen viel Spaß und Inspiration.Viele Grüße
Elisabeth“
Gestartet wurde mit einer Diskussionsrunde um die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern im Schach. Auch hier wirkte Elisabeth Pähtz indirekt mit, denn sie setzt sich in vielen Interviews und Stellungnahmen für die Stärkung der Mädchen und Frauen im Schach ein. In diesen Interviews forderte sie zum Beispiel, dass der Spielbetrieb von Frauen und Männern wie in anderen Sportarten auch, klar getrennt werden sollte. Eine Position, die sofort zu Diskussionen Anlass gab. Man war sich schnell einige, dass im Leistungssport eine bessere und intensivere Förderung umgesetzt werden muss. Dazu brachte eine Vertreterin des Österreichischen Schachbundes viele Ideen ein. Zusammen mit dem Bundestrainern Frauen erarbeiten derzeit mehrere Frauen in Österreich Konzepte für eine bessere Förderung der Leistungsspitze im Mädchen- und Frauenbereich. Von diesen Ideen könnte sich der DSB einiges abschauen.
Die Forderung nach klarer Trennung zwischen Frauen und Männern im Schach fand jedoch mehrheitlich nicht die Zustimmung. Da setzte sich eher die Position der Mädchenreferentin der DSJ Hanna Marie Klek durch, die sich in einem Interview klar für das gemeinsame Schachspielen der Geschlechter aussprach und gleichzeitig aber eigene Veranstaltungen zur Stärkung der Mädchen und Frauen ebenso als wichtig ansah.
Letzteres umzusetzen war die Idee des letztjährigen Kongresses gewesen, der zum Hauptthemenschwerpunkt hatte, neue Projekte im Frauenbereich zu entwickeln. Die meisten der entwickelten Projekte konnten umgesetzt werden und wurden nun vorgestellt und analysiert. Geprüft werden sollte, welche Projekte dauerhaft veranstaltet werden sollten. Da war zum einen das Trainingswochenende für Frauen in der Altersspanne 20 – 30 Jahre, das sehr erfolgreich in Hamburg umgesetzt wurde. Dafür wurde ein dauerhaftes Interesse festgestellt. Genauso für Mehrgenerationenprojekte, von denen eines in Bayern veranstaltet wurde, und demnächst eines in Kassel durchgeführt wird.
Die Anschubfinanzierung für die Pilotprojekte wurde durch eine Spende von Walter Rädler ermöglicht. Die Anschlussfinanzierung wurde vom Deutschen Schachbund erwartet, denn zum Aufgabengebiet des Frauenreferates im DSB gehört ja neben dem Spielbetrieb die Förderung des Frauenschachs. Doch die Ernüchterung war groß, als Dan-Peter Poetke – Referent Frauenschach im DSB – berichten musste, dass das DSB Präsidium die Anschlussfinanzierung der Projekte abgelehnt hat.
Damit ist erstmal die Fortführung einiger der Pilotprojekte in Frage gestellt.
In drei Workshops wurden die sehr unterschiedlichen Themen „Frauen im Ehrenamt“, „Auf dem Weg zum Qualitätssiegel – SC Bisingen-Steinhofen“ und „Sind Mädchen- / Frauenschachvereine eine Alternative? Anastasias Matt e.V. Berlin“ bearbeitet.
Dr. Yvonne Hapke zeigte auf, mit welchen Schritten ein Verein sich den Anforderungen des Qualitätssiegels Mädchen- und Frauenschach annähern kann. Der SC Bisingen-Steinhofen hat das Qualitätssiegel Kinder- und Jugendschach erhalten und wollte dabei aber nicht stehen bleiben. Zu einer guten Jugendarbeit gehört auch eine gute Mädchenarbeit, so der Verein. Deutlich wurde, jeder Verein kann, wenn er denn will, in der Arbeit mit Mädchen Fuß fassen, auch wenn nicht alle Ideen sofort klappen und verschiedenes ausprobiert werden muss. Wie erfolgreich ein Verein arbeiten kann, zeigten dann beim Markt der Möglichkeiten die Karlsruher Schachfreunde auf. Eine beeindruckende Arbeit, die Kristin Wodzinski für den Verein vorstellte.
Olga Birkholz diskutierte die Rahmenbedingungen, die geschaffen werden müssen, um Frauen ans Ehrenamt heranzuführen. Dass dies nicht unmöglich ist auch in einer Sportart, in der derzeit noch sehr wenige Mädchen und Frauen Mitglieder sind, zeigt der Jugendbereich. Im Vorstand der Deutschen Schachjugend gibt es eine fünfzigprozentige Beteiligung von Männern und Frauen, vier Landesschachjugenden werden von Frauen geführt (Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen).
In Berlin wurde erst vor einem Jahr der rein weibliche Schachverein Anastasias Matt gegründet. Da denkt jeder sofort an die These der Geschlechtertrennung. Doch die Idee des Vereins liegt viel dichter bei der Auffassung von Hanna Marie Klek. Bettina Bensch, eine der Gründerinnen des Vereins, stellte die Arbeit vor. Der Verein Anastasia Matt will zusätzliche Angebote für Mädchen schaffen. Er nimmt nicht am Spielbetrieb teil, die Mädchen behalten ihre Spielberechtigung in den alten Vereinen und nehmen mit diesen Vereinen auch in gemischten Mannschaften am Spielbetrieb teil. Als Ergänzung zu den Vereinsangeboten sieht sich der Verein Anastasia Matt. Er veranstaltet Treffen der Mädchen, Training, Camps für Mädchen und wird demnächst auch Turniere für Mädchen, die es so noch nicht gibt, ausrichten. Eine Idee, die zumindest in Ballungsgebieten Nachahmer finden sollte.
Der Mädchen- und Frauenkongress schaut auch gerne auf andere Sportverbände. Wie lösen sie die anstehenden Fragen, welche Konzepte haben sie? In diesem Jahr wurde eine Vertreterin des Rugbyverbandes eingeladen. Im Kinder- und Jugendbereich (bis 16 Jahre) spielen Jungs und Mädchen in gemischten Mannschaften. Um auftretenden körperlichen Unterschieden entgegen zu wirken wird im Rugby im Kinder und Jugendbereich nach veränderten Regeln gespielt. Es wird mehr Wert auf technische Fähigkeiten als auf körperliche gelegt. Das Körperliche kommt erst im Erwachsenenbereich zum Tragen, wenn in geschlechtergetrennten Mannschaften gespielt wird. Hellhörig wurden die Anwesenden als berichtet wurde, dass es im Dachverband Rugby eine eigenständige Jugend und einen eigenständiger Mädchen- und Frauenverband gibt, die sich selbst verwalten mit eigenem Etat. Der eigene weibliche Verband im Rugbyverband wurde geschaffen, da wie in vielen anderen Sportverbänden auch, zwar viele gute Ideen und Konzepte aus dem Frauenbereich heraus entwickelt werden, doch dies nichts nützt, wenn die Männeriegen in den Verbänden diese alle wieder verwerfen. Seit Gründung des Frauenverbandes innerhalb des Rugbyverbandes geht es aufwärts mit dem Mädchen- und Frauenrugby.
Diskutiert wurde auch noch, wie denn die sich im Tiefschlag befindende Internationale Offene Deutsche Frauenmeisterschaft reanimiert werden kann. Der zuständige Referent Wolfgang Fiedler und die Frauenkommission nahm viele neue Anregungen mit. Mal sehen wie sich künftig dieses Frauenturnier entwickeln wird.
Am Sonntag diskutierte Olga Birkholz in ihrem zweiten Workshop Fragen nach einem Trainingskonzept für Mädchen und Frauen und zeitgleich fand ein Treffen der Referentinnen und Referenten für Frauen und Mädchen der Länder statt.
Ein anstrengender Kongress, der aber den Teilnehmenden viele Ideen, Anregungen gab und Platz für einen intensiven Erfahrungsaustausch, für eine Vernetzung bot.
Wie es weiter geht mit dem Kongress, wird auf der Ebene des Deutschen Schachbundes entschieden, denn die DSJ muss sich in 2020 aus der Federführung für die Organisation des Kongresses herausnehmen, das anstehende Jubiläum, 50 Jahre Deutsche Schachjugend verlangt alle Ressourcen.