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| DEM 2019, Goldener Chesso

Der „Goldene Chesso“ Preisträger Andreas Vinke im Interview

Mit einer Interviewserie möchten wir euch die Preisträger des Goldenen Chessos 2018 genauer vorstellen: In diesem Interview steht und Andreas Vinke, der Preisträger in der Kategorie „Jugend-/Nachwuchsbereich“, Rede und Antwort:


Hallo Andreas, erst einmal herzlichen Glückwunsch zu deinem Preis. Wie hast du dich gefühlt, als du davon erfahren hast?

Es ist so, dass mein Vater vor kurzem verstorben ist und mein erster Gedanke war „Daddy, das ist für dich“. Ich habe mich riesig gefreut und wusste bis zur Preisübergabe gar nichts davon. Es war eine besondere Ehre, hier vor vollem Haus nach vorne gerufen zu werden.


In welchem Moment wusstest du denn, dass der Preis an dich gehen wird?

Ich dachte es mir schon, als gesagt wurde, dass der Preisträger im Verein, im Bezirk und in der Landesschachjugend aktiv ist. Als die Sprache auf Dresden kam, wurde es dann klar. Da wusste ich auch direkt, wer meine Patin für die Bewerbung war und habe mich bei Kristin direkt bedankt.


Stelle dich und dein Engagement doch bitte kurz vor.

Wo Arbeit anfällt, mache ich die auch. Eigentlich habe ich früher einmal gesagt, dass ich weder Politiker noch Funktionär bin. Mittlerweile bin ich 3. Vorsitzender der Badischen Schachjugend, 2. Vorsitzender und 2. Jugendleiter bei den Karlsruher SF, Pressereferent im Bezirk Karlsruhe und ich habe einen Posten im Schiedsgericht. Es sind tolle Typen in der Badischen Schachjugend und im Verein. Teamwork ist mir sehr wichtig und macht mir Spaß. In einem Gespräch mit Jörg Schulz sagte er, dass das in der DSJ ähnlich ist. Ämter sind eine Sache, das Persönliche eine ganz andere. Seit 2009 bin ich Jugendtrainer in Karlsruhe, damals hatte ich nicht geahnt, dass das so „ausartet“. Es macht mir unglaublich viel Spaß. Kinder und Jugendliche machen es einem nicht schwer, sich zu engagieren.


Was motiviert dich zu deinem Engagement?

Das ist eine interessante Frage. Vielleicht so eine Art Helfersyndrom?! Die Arbeit muss gemacht werden, also mache ich sie. Ich profitiere emotional sehr von dem, was ich tue. Da ziehe ich viel Motivation raus. Kinder können sich noch nicht selbst um sich kümmern, sie brauchen die besten Rahmenbedingungen und die möchte ich ihnen geben.


Du hast vorhin schon Dresden angesprochen. Dort hast du im vergangenen Jahr als Trainer mit deinem Team die Goldmedaille Junioren bei der Mannschafts-Weltmeisterschaft für Menschen mit Behinderungen gewonnen. War das ein besonderer Erfolg für dich?

Darauf aufmerksam geworden bin ich durch den tollen Newsletter von Walter Rädler. Da ich zwei Jungs mit körperlicher Einschränkung im Verein habe, kam direkt die Idee auf, dort teilzunehmen. Ich kenne die beiden schon seit 10 Jahren und bin auch mit der Familie eng verbunden. Das sind „meine Jungs“ und ich bin für sie irgendetwas zwischen Onkel, großer Bruder und guter Freund. Die beiden hatten sofort Lust und mit Vermittlungshilfe der DSJ fanden sich zwei Brüder aus Schleswig-Holstein, die auch Lust hatten mitzuspielen. Das ist das Tolle an Jörg Schulz und der DSJ – man rennt mit seinen Ideen offene Türen ein und bekommt direkt gute Unterstützung. Die Suche über den DSB war leider nicht zielführend. Wir hatten dann eine wunderschöne Woche in Dresden. „Meine Jungs“ wurden von ihrem Vater begleitet, die anderen von ihrer Mutter. Wir hatten eine große Ferienwohnung und es sind tolle Freundschaften entstanden. Einen der beiden Schleswig-Holsteiner habe ich hier wiedergetroffen, das hat mich sehr gefreut. Dies alles war schon wunderbar, doch der Titel war ein erhebendes Gefühl. Zu sehen, wie glücklich die Jungs waren, ihren Stolz zu sehen, die deutsche Nationalhymne zu hören, das war einfach toll. Alle Teilnehmer dort hatten eine Beeinträchtigung, sie alle hatten schon genug Mist erlebt und einmal konnten sie von ihrer Einschränkung profitieren und waren glücklich. Das war sehr schön zu sehen. Dieses Mal nahmen 9 Mannschaften teil, die von 16 Helfern unterstützt wurden, es war eine sehr liebevolle Veranstaltung, wofür ich den Veranstaltern danken möchte. 2020 findet das Turnier wieder in Dresden statt. Ich bin gespannt, was passiert, wenn es größer wird und andere Länder Interesse an einer Ausrichtung haben.


Ist Integration und Inklusion ein Thema, das euch im Verein wichtig ist?

Auf jeden Fall. Wir haben dafür aber kein theoretisches Konzept erarbeitet, sondern leben das einfach. Zu sehen, wie toll sich die beiden Jungs mit körperlicher Einschränkung über die Jahre entwickelt haben und welchen wichtigen Bestandteil Schach dabei spielt, ist einfach gigantisch. Letztes Jahr im Mai kam ein russischer Jugendlicher zu uns ins Training, der im Anschluss geweint hat, weil er merkte, dass seine zwei Deutschkurse zur Verständigung nicht ausreichen. Er hat trotzdem weiter Schach bei uns gespielt, weil ihm das Spaß machte und darüber ganz viel gelernt. Zur Baden-Württembergischen Mannschaftsmeisterschaft ist er dann letztes Jahr schon mitgefahren, in dem Team waren zwei russischstämmige Spieler, ein Spieler aus China, ein deutscher Jugendlicher mit Behinderung und eine Halbkoreanerin. Da ist eine gute Kameradschaft entstanden mit gegenseitiger Unterstützung und Trost. Die beiden russischstämmigen Spieler durften dann auch mit zur DVM fahren, wofür ich der DSJ dankbar bin (sie lebten zu dem Zeitpunkt noch kein ganzes Jahr in Deutschland). Dort merkte man dann, dass sie angekommen sind. Es ist schön zu sehen, was Schach dabei leisten kann.


Im Gegensatz zu den beiden anderen Preisträgern kennst du die DEM ja schon und bist Als Trainer hier vor Ort. Wie gefällt dir die Meisterschaft?

Ich habe selbst 1996 die DEM mitgespielt, damals in Pinneberg auf dem Kasernengelände. Seit damals hat sich wirklich viel verändert. Das ist kein Vergleich mehr. Wenn ich hier ankomme und das Sauerland Stern Hotel sehe, ist es wie  nachhause zu kommen. Seit 2012 bin ich mit Unterbrechungen als Trainer bei der DEM und nun zum dritten Mal in Folge dabei. Es ist jedes Mal wunderschön. Mit den Kindern und Jugendlichen arbeitet man ja ohnehin gern, hier gefällt mir außerdem das Abendprogramm, dass man sich mit vielen Leuten gut unterhalten und auch neue Kontakte knüpfen kann. Trainer zu sein ist hier immer ein schönes Gefühl. Als Dankeschön-Geschenk habe ich einem ein großes Smiley-Kissen bekommen, auf dem stand „fürs Tränchen trocknen“, das war ein emotional sehr berührender Moment. Wenn die Anerkennung so von Herzen kommt, kann man nicht viel falsch gemacht haben.


Wie läuft es aktuell im Turnier für deine Schützlinge?

Es geht. Bei einer Spielerin war eine Runde etwas enttäuschend und auch ärgerlich. Zum Umgehen mit Ergebnissen habe ich aber im Tennis viel gelernt. Ich ahbe 12 Jahre Tennis gespielt und dort auch den C-Trainer gemacht. Meinem früheren Trainer bin ich sehr dankbar, weil er mir beigebracht hat, unabhängig vom Ausgang eines Matches erst einmal zu fragen, was gut war. Viele Spieler denken rein ergebnisorientiert, davon habe ich mich verabschiedet. Wenn man gewinnt, hat man mindestens eine richtige Entscheidung getroffen. Wenn man verliert, hat man mindestens eine falsche Entscheidung getroffen. Mehr nicht. Für mich zählt die abgelieferte Leitung, das Ergebnis ist zweitrangig. Ich habe mittlerweile auch andere Trainer und auch Großmeister kennengelernt, die so denken. Bei mir im Training fällt kein böses Wort und ich versuche auch den Begriff „Fehler“ zu vermeiden. Ich habe selbst ja auch keine 2800 und habe durchaus spielerische Defizite, obwohl ich schon viel länger spiele als „meine“ Kinder und Jugendlichen. Manchmal greife ich im Training auf meine eigenen Fehler zurück und zeige „worst of Andi“-Stellung. Dabei mache ich auch klar, dass sich zu ärgern ein guter Lehrmeister sein kann, weil man einen Fehler, über den man sich sehr ärgert, sicher nicht noch einmal macht.


Was bedeutet Fairplay für dich, zum Beispiel in der Arbeit mit deinen Schützlingen?

Zunächst einmal gibt es Regeln, die nicht verhandelbar sind. Dann ist mir aber auch wichtig, dass die Kinder mal auf ihren verspäteten Gegner warten, wenn es keinen verpflichtenden Rundenbeginn gibt. Ich vermittle, dass ich es nicht gut finde, den Gegner über die Zeit zu pressen, auch wenn das regelkonform ist. Ich sage im Training dann: „Ihr müsst wissen, was ihr selbst wollt, wollt ihr einen schlechten Ruf haben oder lieber mal auf einen halben Punkt verzichten?“ Ich finde es richtig, den üblichen Anstand zu wahren und sich lieber als Mensch und Spieler schätzen zu lassen. Ich würde Gegner, die zu spät kommen auch immer noch spielen lassen und finde den Regulierungszwang mancher Funktionäre seltsam. Schach ist für mich etwas ganz Besonderes und ich freue mich über jeden, der Sonntagmorgens aufsteht, um zu spielen. Das sollte man sich auch immer bewusst machen: Man braucht zum Schachspielen einen Partner – viel mehr als einen Gegner. Ich bin auch als Schiedsrichter aktiv und finde das Verhalten von Trainern und Eltern oft nicht nachvollziehbar, wenn schon im U10 Bereich einem ohnehin traurigen Kind weiter Vorwürfe gemacht werden. „Meine Kinder“ wissen, dass ich sie im Zweifelsfall immer verteidige. Das bekomme ich zurück, was mich wieder motiviert.


Noch einmal zurück zum Goldenen Chesso: Deine Patin hat einen besonderen Herzenswunsch für dich formuliert: Du bekommst eine kleine Reise geschenkt. Wie kam sie darauf?

Es ist bekannt, dass ich ein großer Schwedenfan bin, spätestens seit ich bei der Baden-Württembergischen Meisterschaft beim gemeinsamen Deutschland-gegen-Schweden-Schauen in blau-gelb aufgetaucht bin. Das Nationalhymnensingen habe ich auch gewonnen. Ich habe mir selbst vor Jahren etwas Schwedisch und Norwegisch beigebracht und war 2004 schon einmal in Stockholm. Ich bin gespannt, was mich jetzt erwartet.


Was wünschst du den Teilnehmern beziehungsweise allen Anwesenden hier?

Da kann ich zunächst einfach den Text der Schachjugend Baden aufgreifen, den man eigentlich jedes Jahr wieder zur DEM schreiben kann. Ich bin immer wieder begeistert, was das DSJ-Team hier auf die Beine stellt, es ist toll dabei zu sein. Allein die Arbeit, die hinter der Zeitung steckt, das Freizeitprogramm, die langen Gesichter bei der KiKa-Siegerehrung von den Kindern, die nächstes Jahr nicht mehr mitspielen können, das alles spricht für sich. Ich bin dem ganzen Team so dankbar, dass alle sich mit riesigem Engagement einbringen für eine unvergessliche Woche. Auch bei der Auswahl der Schiris hat die DSJ immer ein gutes Händchen, gerade im U10/U12-Bereich, wo einiges an Fingerspitzengefühl dazu gehört. Ein riesen Dankeschön an alle, die dies möglich machen!

Allen Teilnehmer/innen viel Spaß und, wie ich zu meinen Schützlingen immer sage: „Das Einzige, was ich von dir will, ist, dass du dich ans Brett setzt und dich freust, dass du spielen darfst.“

Trainer, habt Verständnis, wenn etwas schief läuft!

Eltern, ihr habt wunderbare Kinder, seid froh, dass ihr sie habt, da dürfen Schachergebnisse keine Rolle spielen.

Herzlichen Dank an die Delegationsleiter, da steckt unwahrscheinlich viel Arbeit dahinter.

Vielen Dank für das ausführliche Interview!

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