Erst wurde Leonid Sawlin U16-Europameister, jetzt darf sich der Deutsche Schachbund sogar über einen Weltmeister freuen. Roven Vogel gewann die U16- Weltmeisterschaft in Porto Carras. In einer Presserklärung äußert er sich zu seinem Erfolg. Auch seine Eltern, die dies durch ihr finanzielles Engagement ermöglichten, haben eine Erklärung abgegeben - mit einigen kritischen Anmerkungen.
Presseerklärung von Roven Vogel
Ich bin überglücklich über meinen unerwarteten Erfolg bei der Jugendweltmeisterschaft in Porto Carras. Insgeheim hatte ich natürlich von einer Medaille geträumt, aber natürlich konnte ich nie damit rechnen. Zu viele andere gute Spieler waren am Start. Aber nach durchwachsenem Beginn ist plötzlich alles phantastisch gelaufen. Meine große Begeisterung für das Schach hat sich am Ende ausgezahlt.
Vor der WM habe ich ganz hart trainiert: Zwischen Mitte Juli bis Mitte August 2015 spielte ich 27 Turnierpartien in klassischer Bedenkzeit am Stück und bestritt dabei noch ein 1 Blitz- und 1 Schnellturnier, die ich beide gewann. Beim ZMDI-Open in Dresden habe ich meine dritte IM-Norm erfüllt und werde demnächst offiziell den Titel „Internationaler Meister“ führen. Das hat mich zusätzlich motiviert. In Berlin habe ich die Blitz-Weltmeisterschaft (der Erwachsenen) mitgespielt und gemerkt, dass ich ganz gut mithalten kann. Bei der Jugendweltmeisterschaft hatte ich am Schluss einfach die besten Nerven. In den letzten drei Runden riskierte ich einiges und hatte auch das notwendige Quäntchen Glück.
Ich möchte mich hier bei allen bedanken, die mir geholfen haben, bei den vielen Unterstützern in meinem Heimatverein Siebenlehner SV und meinem aktuellen Verein USV TU Dresden, den Helfern Trainern und Betreuern des Jugendschachverbandes Sachsen und deren Sponsoren und Förderern. Ohne solche Schachfreunde im Hintergrund geht es nicht!
Ein besonderer Dank geht an meinen ersten Trainer Peter Kahn (Siebenlehner SV), der mich für das Schach begeisterte. Der Chemnitzer Mathias Womacka erweiterte als erster Großmeister meinen schachlichen Horizont. Im Jugend-Schachverband erhielt ich viele Möglichkeiten zum Einzel-und Gruppentraining und Betreuungen bei Turnierteilnahmen.
Den größten Anteil am Erfolg hat aber mein aktueller Trainer GM Henrik Teske, der mir Ende 2010 vom Kommissarischen Leiter Leistungssport des Schachverbandes Sachsen, Frank Schulze, empfohlen wurde. Henrik lebt wirklich für das Schach und hat mich bei vielen Gelegenheiten mit viel Idealismus oft unentgeltlich unterstützt. Die Erfolge seiner indischen Kurzzeit-Schützlinge, von denen in Porto Carras drei, nämlich Praggnanandhaa R in der U10 (auch schon U8 Weltmeister 2013), Vaishali R in der U14w und Mahalakshmi M in der U18w, ebenfalls Weltmeister wurden, haben auch mich zusätzlich motiviert. Ebenfalls inspirierte mich Leonid Sawlins EM-Turnier von Porec 2015. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, unserem Europameister u16 noch einmal ganz herzlich zum Titelgewinn zu gratulieren! Der allergrößte Dank geht aber an meine Eltern, die meine große Leidenschaft fürs Schachspiel ertragen und mich ausgezeichnet unterstützen. Der genialste Schachzug meines Vaters war es, meinen besten Freund Philipp Humburg (19 Jahre!) aus Chemnitz als Begleiter während der WM zu engagieren!
Gemeinsam setzten wir Henriks Schachphilosophie perfekt um. Summa summarum: So viel können wir nicht falsch gemacht haben! Ich bin U16-Weltmeister! Super!!!
Roven Vogel
Presseerklärung von Ina und Dieter Vogel
Wir freuen uns riesig über Rovens Erfolg! Alles, was unser Sohn in seiner Erklärung schreibt, unterschreiben wir auch gerne. Wir würden uns wünschen, dass er noch intensiver mit seinem Trainer Henrik Teske arbeiten könnte. Am besten in einem Team junger erfolgshungriger Spieler, die sich gegenseitig motivieren und gelegentlich von geeigneten Toptrainern aus dem In- und Ausland unterstützt werden.
Erfolg gibt Anlass um zu jubeln und sich über die guten Dinge zu freuen. Dennoch möchten wir gleichzeitig einige Dinge ansprechen, welche uns bei Rovens Begleitung nicht gefallen haben. Im mannschaftlichen Gesamtauftritt sind uns Nationen, wie zum Beispiel Armenien und Russland weit voraus. Deutschland startet als ein zusammengewürfelter Trupp aus Einzelkämpfern. Nicht mal ein T-Shirt wird kostenfrei zur Verfügung gestellt.
Im Vorfeld der WM hätten wir uns vor allem mehr Kommunikation mit dem Bundesnachwuchstrainer gewünscht. Auch die unausgewogene Berichterstattung in den Medien seitens des DSB, die schon mehrfach verbandsintern von Frank Schulze angemahnt wurde, gefällt uns nicht. Die Betreuung vor Ort hätten wir uns auch intensiver vorgestellt, aber wir wissen von Henrik, dass es oft am besten ist, nichts zu verändern, wenn sich Spieler, aktueller Betreuer und Umfeld erfolgreich „gefunden“ haben, was spätestens nach dem Ruhetag der Fall war.
In den vergangenen 3 Jahren war Roven im DSB- und im Sachsenkader. Der Kontakt zwischen Leistungssportverantwortlichen, Trainern und Spielern ist in Sachsen viel enger als auf Bundesebene und vor allem im Spitzensportbereich scheinen uns die Sachsen mit 8-10 Großmeistern aus dem In- und Ausland einfach viel besser aufgestellt. Für das beste Jugend-Leistungssportprojekt des DSB halten wir die „Prinzengruppe“. Aus dieser haben Filiz Osmanodja mit WM-Silber u18w 2014 und Matthias Blübaum mit WM-Bronze u20 2015 abschlossen! Eine Fortführung eines solchen Projektes würden wir begrüßen. Vielleicht gelingt es uns aber auch, neue Modelle zu inszenieren.
Als Eltern, die durch die Erfolge unseres Sohnes in die Schachszene reingerutscht sind, machen wir uns schon Gedanken, wie es um den Leistungssport Schach in Deutschland bestellt ist. 2011 gewann die deutsche Nationalmannschaft noch den Mannschafts-EM-Titel und 2015 verlässt der beste Spieler des Landes, GM Arkadi Naiditsch, wegen fehlender Unterstützung als Nr. 1 enttäuscht unser Land. Mit Sebastian Bogner ist ein weiterer aufstrebender junger einheimischer Großmeister schachlich in die Schweiz gewechselt. Kaum einer der Spieler, der zum Gewinn der Silbermedaille bei der Schach-Olympiade 2000 in Istanbul beigetragen hat, arbeitet heute in Deutschland als Trainer. Viele junge Talente brechen ihre Schachkarriere ab, weit bevor sie ihren Zenit erreichen, der vielleicht in der Weltspitze liegen könnte. Das ist schade! Dabei ist Deutschland doch ein großes Schachland. Vielleicht zeigt Rovens Erfolg, dass vieles möglich ist. Und vielleicht motiviert er auch die Entscheidungsträger in den Verbänden, die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen. Das würde uns freuen.
Ina und Dieter Vogel