Der neue Präsident des Deutschen Schachbunds im Interview

Anfang Juni wurde Herbert Bastian zum neuen Präsidenten des Deutschen Schachbunds gewählt. Er stellte sich uns in einem Interview und beantwortet u.a. Fragen zum Verhältnis zwischen der Schachjugend und dem Erwachsenenverband.

Herr Bastian, zunächst herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl zum Präsidenten des DSB! Neben diesem Wechsel in der Führungsspitze gab es noch weitere personelle Veränderungen im Präsidium. In welche Richtung wollen Sie den DSB mit Ihrem neuen Team führen?

Danke für die Glückwünsche,  und ich werde ganz sicher Glück benötigen, um Erfolg zu haben. Was die konkrete Arbeit im DSB angeht, so gibt es mehrere Schwerpunkte, die eine Rolle spielen werden.
Momentan drängt vor allem der Konflikt mit der Nationalmannschaft und insbesondere Arkadij Naiditsch. Arkadij muss seine öffentlichen Angriffe auf und Bewertungen von gewählten Funktionären und Angestellten des DSB einstellen. Wenn er wirklich etwas zum Guten verändern will, und das glaube ich ihm, hat er wesentlich bessere Erfolgschancen, wenn er diesen Personen nicht öffentlich vor den Kopf stößt, sonst muss und wird das Präsidium des DSB entsprechend  reagieren.
Wir werden uns zukünftig jegliche Kritik, die nicht beleidigend ist, intern gerne anhören und darauf eingehen, ohne uns jedoch erpressen zu lassen. Deshalb werde ich das Gespräch mit Arkadij und anderen Nationalspielern suchen, sofern nicht schon geschehen. Das Ziel ist, dass endlich Frieden einkehrt und der Deutsche Schachbund in naher Zukunft mit den bestmöglichen Mannschaften international vertreten sein wird, sowohl im Männer- als auch im Frauenbereich.
Ein zweiter Schwerpunkt wird die Mobilisierung der Vereine sein, um mittelfristig den Mitgliederschwund zumindest zu stoppen. Dazu benötigen wir eine intensive Zusammenarbeit mit der Deutschen Schachjugend. Eine Facette muss das Werben um mehr weibliche Mitglieder werden, und das bedeutet sicherlich ein Umdenken in vielen Vereinen. Auch dafür benötigen wir die Unterstützung der Deutschen Schachjugend, die gerade im Mädchenbereich bereits vorbildliche Arbeit leistet. Der DSB wird Frauen jenseits der 30 stärker ins Visier nehmen, da sehe ich Potential!
Schließlich möchte ich die Entwicklung eines Verbandsprogramms herausheben, mit der Niklas Rickmann als neu gewählter Vizepräsident Verbandsentwicklung beauftragt ist. Die inhaltliche Ausreifung soll mit dem Hauptausschuss im Herbst zusammen mit den Landesverbänden beginnen.

Wie schätzen Sie die bisherige Zusammenarbeit zwischen DSB und DSJ ein und welche Rolle schreiben Sie der DSJ für die Zukunft im DSB zu?

Wir wissen alle, dass es in der Vergangenheit Spannungen zwischen der DSJ bzw. Jörg Schulz und DSB-Funktionären gab. Unser ausgeschiedener Präsident hat schon auf dem Kongress in Bonn gesagt, dass er die Stirn nicht in Falten legt, wenn er den Namen Jörg Schulz hört, und so sehe ich es auch. An dieser Front muss endlich Ruhe einkehren, und Jörg ist ja in der letzten Zeit auch deutlich charmanter geworden. Inhaltlich freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit „Mister DSJ“, und ich weiß, dass der Vorstand der DSJ unter Dr. Christian Warneke ein guter Partner für den DSB sein wird.
Ich freue mich auf anregende  Ideen der DSJ und hoffe, dass sie das Bindeglied zu den nachwachsenden Generationen bleiben wird.


Als eines Ihrer großen Ziele haben Sie auf dem Bundeskongress des DSB die Gewinnung neuer Mitglieder genannt. Als wichtigste Zielgruppen sehen Sie dabei Frauen und Kinder/Jugendliche. Könnte dies ein gemeinsames Arbeitsfeld von DSJ und DSB sein?

Ja, ohne Zweifel! Wobei ich es zunächst bereits als Erfolg ansehe, wenn wir den Mitgliederschwund bremsen und vielleicht zum Stillstand bringen können.

Im März besuchten Sie die Jugendversammlung der DSJ in Halle. Welchen Eindruck haben Sie dabei von der DSJ erhalten?

Es war ein sehr angenehmes und schöpferisches Arbeitsklima, weil die  inhaltliche Arbeit im Mittelpunkt stand und man sich nicht zu viel mit sich selbst beschäftigt hat. Die DSJ ist meiner Meinung nach wirklich sehr gut aufgestellt, und ihr Frauenanteil im Vorstand ist nicht nur  für den DSB zukunftsweisend.

HonorarKonzept, der neue Sponsor des DSB, hat sich die Förderung der Jugend als Ziel gesetzt. Inwieweit ergänzt sich dies mit Ihren Plänen?


Den Vertrag kenne ich noch nicht im Detail. Die Förderung der Jugend ist und bleibt natürlich ein wichtiges Thema im DSB.
In diesem Zusammenhang darf ich etwas Neues ins Gespräch bringen.  Unmittelbar nach dem DSB-Kongress war ich nach Schengen zu einem Workshop der „Peace Foundation“ eingeladen. Thema: „Schulschach und Friedenserziehung“. Ich denke, dass die DSJ eine Kooperation mit der „Peace Foundation“ ernsthaft erwägen sollte, sie wird auf Gegenliebe stoßen. Daraus könnte man bundesweit etwas machen!

Sie sind nicht nur Lehrer sondern auch Schachtrainer. Welche Bedeutung messen Sie dem Schachsport für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen bei?

Hier möchte ich etwas mehr über mich sagen. Es ist richtig, dass ich als Lehrer (Studienrat für Physik und Mathematik) an einer Gesamtschule im Saarland arbeite. In erster Linie definiere ich mich aber als Wissenschaftler, ich habe längere Zeit an der Universität des Saarlandes im Fachbereich Experimentalphysik Grundlagenforschung betrieben. Aus familiären Gründen (Kinder) und aus Liebe zum Schachsport habe ich mich gegen eine wissenschaftliche Karriere und für einen Beruf entschieden, der mir einerseits finanzielle Sicherheit bietet und andererseits aber genügend Freiheit für meine wissenschaftlichen Neigungen lässt. Diese konnte ich in den verschiedensten Bereichen, nicht nur im Schach, ausleben, und dies erklärt auch meine Herangehensweise an meine Arbeit im DSB.
Der Schachsport fordert und fördert Kinder direkt und ganzheitlich. Ich mache seit 1990 mit meiner Schulschach-AG beste Erfahrungen. Von den bekannten positiven Effekten möchte ich die Steigerung des Selbstwertgefühls und der Objektivität hervorheben, die ich immer wieder bei meinen Schülerinnen und Schülern erlebt habe. Natürlich werden die kognitiven Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit und Kreativität auch  die Übernahme von Verantwortung trainiert.

Wie sind Sie selbst eigentlich zum Schach gekommen und welche Erinnerungen haben sie an Ihre Zeit als Jugendspieler?

Schach habe ich wie viele andere von meinem Vater gelernt, weitere Impulse setzte zu Beginn eine Problemschachecke  in der damals noch existierenden Saarbrücker Landeszeitung. Dann kamen Duelle mit Schulkameraden dazu. Richtig vorwärts ging es, als ich die Schach-AG an meinem Gymnasium entdeckte. Aus dieser AG ging mit Hilmar Ebert einer der bekanntesten und besten deutschen Problemkomponisten hervor. In einem Buch, das er mir für 5,- DM zusammen mit einem anderen verkaufte, entdeckte ich den Angriff des Damiano. Das war eine Initialzündung für meine Karriere als Spieler, denn diese Entdeckung löste in mir einen ähnlichen Adrenalinrausch aus wie kürzlich meine Wahl zum DSB-Präsidenten, von der ich total überrascht war.

Die Deutschen Jugendmeisterschaften werden seit Jahren als großes Event ausgerichtet, verbunden mit Highlights wie dem diesjährigen Vergleichskampf zwischen Jan Gustafsson und Laurent Fressinet. Sie selbst haben in Bonn an der Deutschen Meisterschaft der Männer teilgenommen. Es gibt Überlegungen dazu, deren Modalitäten für die Zukunft abzuwandeln. Können Sie sich eine Annäherung der DEM der Jugend und der Erwachsenen vorstellen?

Zum jetzigen Zeitpunkt eher nicht! Und das liegt daran, dass der DSB kein so fantastisches Team wie die DSJ hat. Aber ich schließe es nicht aus. Wenn sich geeignete Partner für die Organisation  finden, lässt sich allerdings über alles reden.

Vielen Dank für das Gespräch! Wir freuen uns auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit.

Ich bedanke mich auch, freue mich ebenfalls auf die Zusammenarbeit. Unbedingt möchte ich  jedoch darauf hinweisen, dass ich nur ein Teil eines kompetenten Teams bin. Ohne meine engagierten Freunde und Mitarbeiter werden alle angesprochenen notwendigen Veränderungen allerdings nur Träume bleiben.